Was ist eine Desensibilisierung?

Was ist eine Desensibilisierung?

Allergien gehören mittlerweile zu den am weitesten verbreiteten Erkrankungen in der Bevölkerung. Als Hauptgrund wurde mittlerweile eine übertriebene Hygiene, insbesondere im frühen Kindesalter erkannt. Je schwerer eine Allergie ist, desto umfangreicher sind die Beeinträchtigungen im Alltag. Es gibt zahlreiche Wege um allergische Reaktionen einzudämmen. Ein besonders erfolgreicher Weg ist die Desensibilisierung oder Hyposensibilisierung.

Welche Ursache haben Allergien?

Das menschliche Immunsystem ist darauf ausgelegt Fremdstoffe zu erkennen und gezielt zu bekämpfen um einen potentiellen Schaden für den Körper zu verhindern. In der Regel reagiert das Immunsystem auf die molekulare Oberflächenstruktur von Krankheitserregern, wie Viren, Bakterien oder mehrzelligen Parasiten wie diversen Würmern.

Durch den umfassenden Einsatz von Hygieneartikeln, Medikamenten, Pestiziden und letztlich auch durch das Verhalten überfürsorglicher Eltern, die ihren Kleinkindern kaum noch erlauben sich dreckig zu machen, ist der Kontakt mit nennenswerten Mengen von Krankheitserregern selten geworden. Gleichzeitig ist jedoch das Immunsystem gleich geblieben.

Die Folge ist, dass das Immunsystem geradezu unterfordert ist und regelrecht “Langeweile” hat. Das resultiert dann zunehmend darin, dass das Immunsystem übertrieben stark auf Fremdstoffe reagiert, die ersatzweise noch zur Verfügung stehen. Für das Immunsystem ist der Unterschied zwischen Viren oder Bakterien und Pollenkörnern nicht besonders groß. Eine Allergie ist letztlich nichts anderes als eine übertriebene Reaktion auf eigentlich harmlose Fremdstoffe.

Das Immunsystem ist nicht statisch

Der Vorteil vom Immunsystem ist jedoch, dass es quasi lernfähig ist. Ein Beispiel hierfür sind Impfungen. In einem Impfstoff sind in irgend einer Form die Oberflächenmoleküle von Viren in großer Menge enthalten, jedoch ohne die krankheitsauslösenden Eigenschaften des Virus. Das Immunsystem lernt die Struktur kennen und kann später, wenn das echte Virus in den Körper gelangt, sofort darauf reagieren, noch bevor man erkranken kann.

Bei einer Desensibilisierung oder Hyposensibilisierung läuft der Prozess ähnlich, jedoch in umgekehrter Richtung ab. Der Körper kennt ja bereits den Stoff, in dem Fall als Allergen bezeichnet, und reagiert gut oder besser gesagt viel zu gut darauf. Das Ziel der Behandlung ist also die (allergische) Reaktion des Immunsystems durch einen Lerneffekt auf ein Minimum zu reduzieren oder vollständig zu unterbinden.

Welche Voraussetzungen gibt es für eine Desensibilisierung?

Wichtig ist zunächst, dass nicht ausnahmslos jede Überreaktion des Immunsystems durch eine Desensibilisierung behandelt werden kann. Es muss sich um eine Allergie vom Soforttyp IgE I – (IgE = Immunglobulin E) – handeln. In diesem Fall ist zumindest erfreulich, dass die weitaus meisten Allergien zu diesem Typ gehören und das Immunsystem innerhalb von Sekunden oder allerspätestens innerhalb von Minuten auf das Allergen reagiert.

Drei weitere Aspekte sind zwar keine zwingend notwendigen Voraussetzungen für eine Desensibilisierung, erhöhen jedoch die Chancen auf einen Behandlungserfolg deutlich.

Erstens sollte möglichst nur eine Allergie vorliegen. Je mehr, vor allem sehr verschiedene, Allergien vorliegen, desto deutlicher ist das ein Hinweis auf ein stark überempfindliches Immunsystem. Diese Überempfindlichkeit führt dazu oder deutet zumindest darauf hin, dass das Immunsystem weniger “lernwillig” ist und es sowohl länger dauern wird es von den gewohnten Reaktionen abzubringen, sofern der Versuch überhaupt Erfolg haben sollte.

Zweitens sollte der Ausbruch der Allergie nicht allzu weit zurück liegen. Empirische Studien haben gezeigt, dass eine Desensibilisierung deutlich erfolgreicher ist, wenn der Ausbruch der Allergie nicht länger als 5 Jahre zurück liegt. Dadurch steigt die Chance, dass das Immunsystem noch nicht zu festgefahren ist in der Art und Weise wie es auf das Allergen reagiert und sich ebenfalls leichter umerziehen lässt.

Drittens sollte man möglichst jung sein, wenn man mit der Desensibilisierung beginnt. Vor allem bei Kindern ist das Immunsystem noch so flexibel, dass eine Desensibilisierung tatsächlich eine Allergie effektiv “heilen” kann. Ab einem Alter von 50 Jahren sinken die Chancen auf einen Behandlungserfolg zunehmend.

Wie läuft die Desensibilisierung ab?

Bei der Desensibilisierung werden dem Körper die betreffenden Allergene in winzigsten Mengen zugeführt. Dies erfolgt in der Regel durch eine Injektion. Mittlerweile gibt es auch entsprechende Tabletten und Tropfen zur Einnahme, jedoch hat sich gezeigt, dass hierbei der Erfolg geringer ist.

Die Menge der zugeführten Allergene ist anfangs winzigst. Im Idealfall ist die Menge so gering, dass zwar das Immunsystem darauf reagiert, jedoch die Reaktion so schwach ausfällt, dass die allgemeinen körperlichen Symptome einer allergischen Reaktion ausbleiben oder nur schwach ausgeprägt sind.

Diese Prozedur wird zunächst etwa alle zwei Wochen wiederholt während darauf geachtet wird, dass das Immunsystem gleich schwach und letztlich durch einen Gewöhnungseffekt immer schwächer auf die Allergene reagiert.

Sobald eine Abschwächung der allergischen Reaktion zu beobachten ist, wird die Menge an Allergenen in einer einzelnen Injektion erhöht. Dies wird immer wieder wiederholt bis das Immunsystem selbst auf hohe Konzentrationen des Allergens kaum oder gar nicht mehr reagiert. Dann ist auch der Punkt erreicht an dem das Immunsystem auf eine Menge des Allergens nicht mehr überreagiert, der es im Alltag ausgesetzt sein könnte. In der Regel läuft eine solche Behandlung über einen Zeitraum von drei Jahren ab.

Wann darf keine Behandlung stattfinden?

Eine Desensibilisierung darf immer dann nicht durchgeführt werden, wenn das Immunsystem überlastet ist, geschwächt ist oder sogar geschwächt bleiben muss. Dies ist bei schwerem Asthma, Nierenproblemen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einer Schwangerschaft, nach Operationen, vor allem nach Transplantationen (insbesondere als Empfänger) und bei Krebserkrankungen der Fall.

Auch weitere Einflüsse, die mit dem Immunsystem wechselwirken sollten zumindest kurzfristig vermieden werden um die Wirkung der einzelnen Behandlungen zu maximieren. Dazu zählt der zusätzliche Kontakt mit jeglichen Allergenen, Sport und andere starke körperliche Betätigungen kurz vor und für einen Tag nach der Behandlung sowie Nahrung und Alkohol vor der Behandlung.

Da die Behandlung immer das Risiko schwerer allergischer Reaktionen durch eine unbeabsichtigte Sensibilisierung birgt, sollte nach der Behandlung auf das eigenständige Fahren oder die “Bedienung schwerer Maschinen” verzichtet werden. Die Einnahme von ACE-Hemmern oder Beta-Blockern kann im Fall eines anaphylaktischen Schocks dessen Behandlung erschweren.

Desensibilisierung oder Hyposensibilisierung?

Grundsätzlich sollte bei dieser Behandlung von Desensibilisierung, sondern von Hyposensibilisierung die Rede sein. Das primäre Ziel ist es die Symptome einer Allergie zu reduzieren – eine tatsächliche Heilung einer Allergie ist wahrscheinlich nicht möglich. Deshalb ist es prinzipiell ausgeschlossen, dass man gar nicht mehr auf ein Allergen reagiert (also vollkommen unempfindlich bzw desensibilisiert ist), sondern lediglich sehr wenig auf ein Allergen reagiert (also wenig empfindlich bzw hyposensibilisiert ist). Nur bei sehr gutem Erfolg sinkt die Empfindlichkeit auf ein Allergen so weit, dass eine quasi-Desensibilisierung erfolgt.

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